Berliner Zeitung           Dienstag, 13. Januar 2004

Der Diener der Literatur vom Savignyplatz

Zum plötzlichen Tod von Klaus-Peter Herbach

Falko Hennig

In der Nacht zum Montag erlag K. P. Herbach einem akuten Herzversagen, am 12. März wäre er 60 geworden. Es kam für alle sehr überraschend, er hat sich nicht krank gefühlt. Auch ich kann es gar nicht glauben, bin völlig perplex. Ich habe doch eine Postkarte von ihm vor mir, seine Karte, die gestern in meinem Briefkasten war, sie ist auf Montag datiert.

Zum ersten Mal getroffen habe ich ihn 1999 im Literarischen Colloquium, er war eine auffällige Gestalt, das weiße Haar so 68er-lang mit Zopf, dabei eine voluminöse, barocke Gestalt, Raucher, der auch gern trank. Wie ein Gesundheitsapostel hat er nicht ausgesehen, aber so was? Umtriebig war er, seine Bedeutung für den Literaturbetrieb ist kaum zu überschätzen.

An der Akademie der Künste arbeitete K. P. Herbach 34 Jahre als Pressereferent unter Präsidenten wie Grass, Jens, Konrad und Muschg. Mit den von ihm organisierten und äußerst kenntnisreich, charmant und lebendig moderierten Lesungen ist er selbst zu einer Institution des literarischen Berlins geworden. Die Schriftstellerin Ursula Krechel erzählt mir, wie sie den Ur-Buchhändlerkeller in der Görresstraße in Friedenau erlebt hat. Damals war Herbach schon genauso dick, aber wirklich noch jung, wie es bis heute im Namen des 1951 gegründeten "Arbeitskreis Berliner Jungbuchhändler" steht. Autoren wie Grass und Frisch wohnten damals nahe dem Friedrich-Wilhelm-Platz und es war ein richtiger Keller mit Kisten statt Stühlen. Seit 1967 leitete K. P. Herbach diesen Literarischen Salon Berlins, in dem rund 40 Lesungen pro Jahr, jeweils am Donnerstag, veranstaltet wurden. Als der durch Sommergewitter zu oft überschwemmte Keller 1979 dann wirklich zu klein und zu schäbig wurde, zog man in die Räume von Michael S. Cullens ehemaliger Galerie Mikro in die Carmerstraße um.

Mich hat er gefördert durch eine Lesung, die ich am 30. Mai 2002 in seinem Buchhändlerkeller geben konnte. An dem Tag hatte ich mir beim Fußball das Bein umgeknickt und so kam ich dann auch abends zum Buchhändlerkeller und wusste nicht, ob ich die Frage "Gehen Sie immer so?", als Höflichkeit oder als frech empfinden sollte. Es war erfreulich voll, es hatte Programmhinweise in der Presse gegeben. Die Räume machten gar nicht so sehr den Eindruck von einem Buchladen, eher wirkte es wie eine Mischung aus Kneipe und altem Kino.

Nach der Lesung gingen Herr Haase und Klaus-Peter Herbach, ich humpelte, ins "Diener", eine der gastronomischen Institutionen am Savignyplatz, wo man an den Wänden Fotos von Halbprominenten besichtigen kann. Ich solle Walter Kempowski mal vorsichtig grüßen, beauftragte mich "KP" Herbach, den hatte er auch mal früh eingeladen und ihm somit geholfen. Generationen von Autoren hat er so ein Podium und Publikum gegeben.

Diese Karte, die nun seine letzte bleiben wird, erinnert mich daran, dass jene Lesung für mich in Alt-West-Berlin die erste war. Es ist nicht sicher, wo K. P. jetzt ist, vielleicht kann er seine Zusage einhalten: "Ich behalte Dich also im Auge ... für 2004 nur Gutes". Er selber hätte es nötiger gebraucht.

Der Berliner Autor Falko Hennig veröffentlichte zuletzt "Trabanten".